Das Mietrechtsgesetz (MRG) regelt selbst, für welche Mietgegenstände es zur Gänze (Vollanwendungsbereich), überhaupt nicht (Vollausnahmen) oder nur zum Teil (Teilanwendungsbereich) anwendbar ist. Eine Vollausnahme betrifft Mietgegenstände in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten. Wie muss dies bei Ein- und Zweiobjekthäusern ausgelegt werden? Worauf kommt es bei der Beurteilung an?
Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH)
Die betreffende Vollausnahme findet sich in § 1 Abs 2 Z 5 MRG. In einer kürzlich ergangenen Entscheidung hat der OGH ein Gebäude, das als wirtschaftlich und technisch einheitliches Betriebsgebäude qualifiziert wurde, als Vollausnahme vom MRG im Sinne des § 1 Abs 2 Z 5 MRG qualifiziert. Der Gerichtshof wies darauf hin, dass die Beurteilung, wie viele selbständig vermietbare Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten sich in einem Gebäude befinden, bei größeren Betriebsgebäuden schwieriger als bei einem Haus mit Wohnungen ist. Der geschäftliche Raumbedarf ist ganz individuell vom angestrebten Geschäftsgegenstand und der Betriebsgröße abhängig und die „Nutzungsbreite“ damit größer als bei zu Wohnzwecken vermieteten Räumlichkeiten. Hat ein Gebäude nur einen einzigen gewerblichen Nutzer, so kann eine wirtschaftliche Betrachtungsweise einer getrennten Vermietbarkeit entgegenstehen (veröffentlicht in OGH 1 Ob 67/20i).
Kritik an der Entscheidung
Der OGH hat bei der Frage, wie in Betriebsgebäuden die Anzahl der (Geschäfts-) Räumlichkeiten zu ermitteln ist, dem „jeweiligen geschäftlichen Bedarf“, dem „angestrebten Geschäftsgegenstand“ und der „Auslegung auf einen einzigen gewerblichen Nutzer“ maßgebliche Bedeutung beigemessen. Darin könnte ein Spannungsverhältnis zu seiner früheren Rechtsprechung gesehen werden, wonach es für die Ermittlung der Anzahl der Objekte eines Gebäudes ausschließlich auf die objektive Vermietbarkeit und gerade nicht auf die tatsächliche Benützung oder Widmung durch den Vermieter ankommt.
Mehrere Details der Entscheidung erscheinen im Vergleich nur wenig verständlich. In einer früheren Entscheidung wurde selbst minderwertigen, durchfeuchteten Souterrainräumlichkeiten in einer Villa selbständige Vermietbarkeit zugesprochen, was im konkreten Fall bereits hinsichtlich der Vollausnahme vom MRG gemäß § 1 Abs 2 Z 5 MRG abträglich war. In der neuen Entscheidung wurde hingegen festgestellt, dass es bei einem „Betriebsgebäude“ ungeachtet der objektiven Vermietbarkeit einzelner Einheiten auf die subjektive „Konzeption für die Nutzung durch einen einzigen gewerblichen Betreiber“ ankommen soll (frühere Entscheidung veröffentlicht in OGH 5 Ob 157/19b).
Fazit: Mietgegenstände in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten stellen gemäß § 1 Abs 2 Z 5 MRG eine Vollausnahme dar. Die Rechtsprechung des OGH ist hinsichtlich der Frage nach der Auslegung des Ein- und Zwei-Objekthauses im Sinne dieser Vollausnahme uneinheitlich. Es gibt unterschiedliche Zugänge, je nachdem, ob es sich um ein Wohnhaus oder um eine Betriebsliegenschaft handelt. Unsere Schlussfolgerung: Auch die Entscheidungen des Höchstgerichts müssen stets mit Blick auf den jeweiligen Einzelfall gelesen und ausgelegt werden. Eine Entscheidung kann bei ein und derselben Frage in verschiedenen Anlassfällen unterschiedlich ausfallen.
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