Bei Kauf- und Werkverträgen müssen wechselseitig Leistungen erbracht werden. Der Käufer/Werkbesteller schuldet den Kaufpreis bzw. den Werklohn und soll dafür eine mangelfreie Ware oder Werkleistung erhalten. Liegt jedoch ein Mangel vor, so kann er der Werklohn- bzw. Kaufpreisklage die Einrede des nicht erfüllten Vertrags entgegenhalten. Doch wann liegt Schikane vor, wie lange kann die Fälligkeit des Werklohns bzw. Kaufpreises hinausgeschoben werden und welche Auswirkung hat die Vereinbarung einer Haftrücklassgarantie?
Schikane?
Dieser Thematik wandte sich auch der Oberste Gerichtshof (OGH) kürzlich zu und stellte zunächst klar, dass die Einrede des nicht erfüllten Vertrages auch bei Vorliegen geringfügiger Mängel entgegengehalten werden kann, es sei denn, die Ausübung dieses Rechts artet zur Schikane aus. Wann Schikane vorliegt, ist im Einzelfall zu beurteilen, doch bei einem Verbesserungsaufwand von rund 15 % des offenen Werklohns ist Schikane jedenfalls zu verneinen.
Fälligkeit
Hinsichtlich der Fälligkeit des Werklohns bzw. Kaufpreises führte der Gerichtshof aus, dass diese nur solange hinausgeschoben werden kann, als ein Verbesserungsanspruch besteht und die Verbesserung im Interesse des Bestellers/Käufers liegt. Fällt dieses Interesse weg, besteht kein Bedürfnis nach Gewährung eines gänzlichen Leistungsverweigerungsrechts mehr. Das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers/Käufers erlischt deshalb, sobald er die Fertigstellung des Werks durch den Unternehmer/Verkäufer verhindert bzw. unmöglich macht oder wenn er das noch unvollendete Werk von einem Dritten vervollständigen lässt.
Haftrücklass(garantie)
Der Haftrücklass oder die Haftrücklassgarantie sollen Gewährleistungsansprüche und somit auch den Anspruch des Bestellers/Käufers auf Verbesserung des mangelhaften Werks bzw. der mangelhaften Kaufsache sichern. Dabei handelt es sich um das vertragliche Recht des Bestellers/Käufers, einen Teil des Werklohns/Kaufpreises zurückzubehalten. Solange ein Verbesserungsanspruch besteht, wird die Fälligkeit des Werklohns bzw. Kaufpreises hinausgeschoben. Das Höchstgericht betonte in diesem Zusammenhang, dass die Vereinbarung einer Haftrücklassgarantie darauf keinen Einfluss hat – der Parteiwille ist nämlich regelmäßig allein darauf gerichtet, dass die Haftrücklassgarantie den Haftrücklass ersetzt, während sonst keine Veränderung der Rechtspositionen herbeigeführt werden soll. Mit dem Haftrücklass soll daher in erster Linie eine Deckung für zunächst verborgene Mängel geschaffen und gleichzeitig verhindert werden, dass die Endabrechnung wegen allenfalls noch vorhandener, aber zunächst nicht erkennbarer Mängel hinausgeschoben wird. Nach Ansicht des OGH wird damit aber nicht automatisch auf das darüberhinausgehende Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers mangels Fälligkeit des Werklohns wegen Unterlassung einer Verbesserung des mangelhaften Werks verzichtet (veröffentlicht in OGH 3 Ob 176/20h).
Fazit: Das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers/Käufers besteht auch bei geringfügigen Mängeln, sofern es nicht zur Schikane ausartet (was im Einzelfall zu beurteilen ist). Die Zahlung kann nur solange hinausgeschoben werden, als ein Verbesserungsanspruch besteht und die Verbesserung im Interesse des Bestellers/Käufers liegt. Darauf hat die Vereinbarung einer Haftrücklassgarantie keinen Einfluss, denn mit dem Haftrücklass soll eine Deckung für zunächst verborgene Mängel geschaffen und gleichzeitig verhindert werden, dass die Endabrechnung wegen allenfalls noch vorhandener, aber zunächst nicht erkennbarer Mängel hinausgeschoben wird. Auf das darüberhinausgehende Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers wird damit aber nicht automatisch verzichtet.
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