Der Rechtsstreit rund um die Aussetzung bzw. Reduktion von Mieten und Pachten scheint zu eskalieren. In unserem letzten Beitrag (Auswirkungen von COVID-19 auf das Bestandsrecht? (immobilienrecht-klagenfurt.at) haben wir bereits über die Auswirkungen der Pandemie auf das Bestandsrecht berichtet. Seit April 2020 wird die Thematik heiß diskutiert, nun hat es erste Klagen und Entscheidungen gegeben.

Mieter vs. Vermieter

Mieter berufen sich auf § 1004 ABGB, der sie bei „außerordentlichen Zufällen“, wie etwa Pandemie, durch die nicht mehr gegebene Benutzbarkeit bzw. Gebrauchsmöglichkeit von der Zahlung des Miet- oder Pachtzinses befreit bzw. ihnen das Recht zur Mietzinsminderung einräumt (siehe dazu ausführlich in unserem Beitrag zu den Mietzinsausfällen (Müssen Vermieter coronabedingt massive Zinsausfälle hinnehmen? (immobilienrecht-klagenfurt.at).

Die Vermieter der betroffenen Immobilien sehen dies oft anders. Ihnen zufolge ist die Nutzbarkeit durch die Pandemie und die von der Regierung zur Bekämpfung angeordneten Sperren nicht eingeschränkt. Ein weiterer Streitpunkt ist die von Bestandgebern vertretene These, dass die Mieter öffentliche Förderungen, wie Fixkostenzuschuss und Umsatzersatz erhalten und diese (zumindest teilweise) als Ausgleich für die geschuldeten Mietzinse an sie herauszugeben hätten. Manche vertreten auch die Ansicht, dass Mietern, die ohnehin Anspruch auf öffentliche Förderungen haben und diesen auch wahrnehmen, weder ein Mietzinsentfall noch eine Mietzinsminderung zusteht.

Schuld an der strittigen Rechtsauslegung rund um Fixkostenzuschuss und Umsatzersatz ist das 2.COVID-19-JuBG (Justiz-Begleitgesetz). In dessen Entwurf soll es einen Hinweis auf das Mietminderungs- oder Befreiungsrecht gegeben haben, der sich später nicht mehr finden lässt. Somit müssen Fragen, wie etwa über Geschäftsraummieten und Pachtverträge, auf Grundlage der bestehenden Gesetzeslage gelöst werden.

Klarstellung hinsichtlich staatlicher Hilfsgelder als Ausgleich

Mit dem Standpunkt, dass trotz Corona-bedingten Entfalls des Gebrauchsnutzens für geschäftliche Mieter kein Anspruch auf Zinsminderung oder -befreiung bestehe, sobald sie staatliche Hilfsmaßnahmen erhalten, räumt Univ.-Prof. Dr. Andreas Vonkilch in einem für den Österreichischen Kinoverband erstatteten Gutachten auf. Darin wird festgehalten, dass keine Berechtigung der Vermieter besteht, an den staatlichen Unterstützungsmaßnahmen für die Mieter zu partizipieren. Die Regelungen knüpfen das Recht der Bestandnehmer auf Zinsentfall bzw. Zinsminderung an die eingeschränkte Gebrauchstauglichkeit und machen es in keiner Weise von Unterstützungsmaßnahmen abhängig, die den Mietern seitens der öffentlichen Hand zukommen. Immerhin liegt die Zielrichtung der staatlichen Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Pandemie darin, die Unternehmen am Leben zu erhalten und die Finanzierung der Gehälter für die Mitarbeiter zu unterstützen. Es geht dabei nicht darum, den Mietzinsentfall der Vermieter auszugleichen.

Rechtsprechung bisher

Deutlich wird, dass zwei konträre Positionen aufeinanderprallen. Das BG Meidling hat bereits in zwei Fällen Urteile gefasst, welche die Seite der Mieter stärken:

Ein Friseur, der im Frühjahr wegen gesetzlicher Vorgaben im Rahmen der Coronapandemie sein Geschäft schließen musste, muss nach Ansicht des Gerichts für diese Zeit keine Miete zahlen. Das Urteil basiert auf § 1004 ABGB (Urteil BG Meidling 9 C 368/20b).

Im zweiten Fall hatte eine Textilhandelskette die Miete für März nur unter Vorbehalt bezahlt, die für April ganz einbehalten, woraufhin die vermietende Gesellschaft auf Mietzahlung und Räumung klagte. Auch in diesem Fall entschied das Gericht zugunsten der Mieter und bestätigte den kompletten Entfall des Mietzinses während der Zeit des Lockdowns. Auch in dieser Entscheidung bezieht sich das BG auf die Rechtslage nach dem ABGB hinsichtlich unbeherrschbarer Zufälle bzw. „Seuchen“ (Urteil BG Meidling 9c 361 20y).

Fazit: Im Bestandsrecht prallen Corona-bedingt zwei Positionen aufeinander. Während Bestandnehmer die Mietzinsminderung- den entfall auf § 1004 ABGB stützen, argumentieren Vermieter mit dennoch gegebener Nutzungsmöglichkeit und staatlichen Hilfsgeldern. Diese verfolgen jedoch einen anderen Zweck, als den Ausgleich von ausbleibenden Bestandszinsen. Zwei Urteile des BG Meidling stärken die Position der Mieter, doch höchstgerichtliche Entscheidungen bleiben noch abzuwarten. Hinsichtlich einer voreiligen Verallgemeinerung der bisherigen Rechtsprechung ist daher Vorsicht geboten.

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