In unseren Beiträgen (Aktuelles aus Recht und Justiz – Frimmel I Anetter Rechtsanwälte GMBH (immobilienrecht-klagenfurt.at) zum Thema Mietzinsminderung wegen COVID-19 haben wir Sie über aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung und Lehre rund um die §§ 1104f ABGB informiert. Höchstgerichtliche Entscheidungen bleiben zwar noch abzuwarten, doch die Tendenz geht in Richtung Mieterfreundlichkeit. Nun wurde die Kürzung der Geschäftsraummiete eines Corona-bedingt geschlossenen Geschäfts in der Wiener Innenstadt von der zweiten Instanz bestätigt und dabei weitere Klarstellungen getroffen.

Vor genau einem Jahr, am 16. März 2020, begann der erste Lockdown in Österreich. Zahlreiche Geschäfte mussten wegen der Pandemie geschlossen bleiben. Bald schon kam die Frage auf, ob sie trotzdem die Miete für ihre Geschäftslokale zahlen müssen. Nachdem mittlerweile mehrere Bezirksgerichte entschieden haben, dass die Vermieter einen Zinsausfall hinnehmen müssen, hat nun das Landesgericht für Zivilrechtssachen (ZRS) Wien in 2. Instanz erstmals eine Grundsatzentscheidung im selben Sinn getroffen.

Die Entscheidung

Laut ABGB muss ein Mieter keinen Zins zahlen, wenn der Mietgegenstand wegen „außerordentlicher Zufälle“ nicht benutzt werden kann (§ 1104 ABGB). Beispielhaft nennt das Gesetz neben Feuer oder Krieg unter anderem Seuchen. Das ZRS bestätigte in seiner Entscheidung, dass auch COVID-19 ein solcher Zufall ist und verwies auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO), welche von einer Pandemie spricht. Somit wurden auch die Gesetze und Verordnungen zur Bekämpfung einer Seuche im Sinne des § 1104 ABGB erlassen.

Die Bestimmung ist für Ausnahmesituationen gedacht, weswegen auch länger zurückliegende Gerichtsentscheidungen berücksichtigt wurden. Bei der aktuell höchst umstrittenen Frage, wie sich der staatliche Fixkostenzuschuss auf die Zinsreduktion auswirkt, wurde beispielsweise ein Plenissimarbeschluss des Obersten Gerichtshofs (OGH) aus dem Jahr 1915 herangezogen, der sich mit Wohnungen beschäftigt, die während des Ersten Weltkriegs evakuiert wurden. Auch damals wurden Mieter finanziell unterstützt. Das tat der Anwendung der Zinsreduktion aber keinen Abbruch, was damit begründet wurde, dass der notwendige Kausalzusammenhang zwischen den Zuwendungen an den Mieter und dem Schaden des Vermieters nicht vorhanden ist.

Nach Ansicht des ZRS ist dieser Auffassung zumindest für den Zeitraum des ersten Lockdowns zu folgen, wobei für die weiteren Schließungen eine andere Beurteilung angezeigt sein könnte. Es soll jedenfalls nicht Aufgabe des Mieters sein, durch Verzicht auf eine ihm gesetzlich zustehende Mietzinsbefreiung bzw. -minderung auf Kosten des Steuerzahlers Förderungsleistungen zu beantragen, um diese dem Vermieter zukommen zu lassen.

Im Anlassfall machte der Kläger nur eine Mietzinsreduktion auf etwa ein Drittel geltend, weil er Lagerräumlichkeiten im Keller weiterhin nutzen konnte. Darin sah das ZRS eine „ohnedies vermieterfreundliche Berechnung“ und billigte dem Kläger die geforderte Rückzahlung zu. Ob die Pandemie zu einer Substanzschädigung des Mietobjekts geführt hat oder nicht, ist für das Berufungsgericht irrelevant. Entscheidend ist nur, ob die Gebrauchsmöglichkeit objektiv, gemessen am Vertragszweck, beseitigt oder eingeschränkt ist (veröffentlicht in LGZ Wien 39 R 27/21s).

Fazit: Das ZRS Wien bejahte erstmals ausführlich eine Mietzinsreduktion wegen COVID-19. Die 2. Instanz stelle dabei klar, dass § 1104 ABGB anwendbar ist und es darauf ankommt, ob die Gebrauchsmöglichkeit objektiv, gemessen am Vertragszweck, beseitigt oder eingeschränkt ist. Staatliche Hilfsgelder tun der Anwendung der Zinsminderung keinen Abbruch und taten das auch schon früher nicht. Diese Entscheidung ist rechtskräftig und bestärkt die Tendenz zu einer mieterfreundlichen Lösung des Konflikts im Bestandsrecht. In anderen Fällen wird der OGH noch das letzte Wort zu sprechen haben.

 

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