Der OGH befasste sich in der Entscheidung 8 Ob 88/19b erstmals mit der vor allem in der Literatur strittigen Frage, ob dem Bauunternehmer, der aufgrund eines Vorprozesses gegen den Bauherrn Mängel bei der Bauausführung zu vertreten hatte, Regressansprüche gegenüber der örtlichen beauftragten Bauaufsicht zustehen.
Im Sachverhalt zu obiger Entscheidung war die Klägerin die Haftpflichtversicherung einer Bauunternehmerin, die von der Bauherrin mit Baumeisterarbeiten im Rahmen eines Bürogebäudes beauftragt worden war und sich bei der Errichtung des Unterbodens einer Subunternehmerin bedient hatte. Die Subunternehmerin führte die Unterbodenkonstruktion derart mangelhaft aus, dass ein darauf verlegter Laminatboden beschädigt wurde. Mit der Planung und der örtlichen Bauaufsicht für dieses Bauprojekt war eine Architektin von der Bauherrin beauftragt worden. Sowohl für die Subunternehmerin, als auch für die Bauaufsicht wäre leicht zu erkennen gewesen, dass die Arbeiten am Unterboden derart mangelhaft ausgeführt worden waren.
Im Vorprozess wurde die Bauunternehmerin zur Zahlung des der Bauherrin entstandenen Schadens verurteilt und richtete sich die Bauunternehmerin nunmehr mit dem Klagebegehren des Ersatzes der Hälfte der aufgrund des Urteils im Vorprozess entstandenen Mängel-, Mängelbehebungs- und Prozesskosten an die Architektin als Bauaufsicht.
Der OGH gab dem Regressbegehren zwar keine Folge, führte aber gleichzeitig in seiner Entscheidung aus, dass nicht von Vornherein ausgeschlossen werden kann, dass der Bauunternehmer, der dem Bauherrn den Schaden ersetzt hat, den Bauaufseher als Solidarschuldner gemäß den §§ 1302 und 896 ABGB in die Haftung nehmen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nur der Bauunternehmer selbst die Mängelfreiheit des Werkes schuldet und eine Bauaufsicht den Bauunternehmer nicht von dieser Pflicht befreien soll.
Somit muss der Bauunternehmer zwar regelmäßig den gesamten oder überwiegenden Schaden tragen, im Einzelfall – zum Beispiel bei stark überwiegendem Verschulden der Bauaufsicht – kann jedoch auch ein Regress gegenüber der Bauaufsicht gerechtfertigt sein.