Wird ein Weg über ein fremdes Grundstück längere Zeit hinweg ohne Einwände des Eigentümers genutzt, so ist die Begründung eines Wegerechts in Betracht zu ziehen. Doch ist dafür das Argument ausreichend, dass der Weg als bequemer Zugang zu einem anschließenden Grundstück zu bloßen Erholungszwecken benützt wird? Kommt eine Servitutsersitzung dann in Frage?
Beispielfall
Der Oberste Gerichtshof (OGH) befasste sich erst kürzlich mit der Ersitzung eines Geh- und Fahrtrechts über einen Weg, der als Zugang zu einem anschließenden Waldgrundstück seit mehr als 30 Jahren als Weg zum Wandern, Radfahren, zu Erholungszwecken im angrenzenden Wald und zum Befahren mit Nutzfahrzeugen, etc. genutzt wurde. Im Anlassfall gab es auch keinen anderen zumutbaren Weg zum Waldgrundstück.
Der Gerichtshof stellte zunächst fest, dass eine Grunddienstbarkeit der vorteilhafteren oder bequemeren Benützung des herrschenden Grundstücks dienen muss. Das Erfordernis der Nützlichkeit oder Bequemlichkeit bezieht sich immer auf das Grundstück selbst, nicht auf persönliche Vorteile seines Eigentümers. Der Vorteil muss nicht die Bodennutzung betreffen. Bei der Beurteilung des Utilitätserfordernisses ist kein strenger Maßstab anzuwenden. Nur völlige Zwecklosigkeit verhindert das Entstehen einer Dienstbarkeit bzw. vernichtet diese.
Landwirtschaftliches- oder Privatgrundstück?
Interessant ist, dass in der Rechtsprechung bereits zahlreiche Grunddienstbarkeiten erwähnt wurden, die ebenfalls zu Freizeitzwecken genutzt wurden (z.B. OGH in 8 Ob 235/64 oder OGH in 9 Ob 38/20h sowie OGH in 8 Ob 51/12a). In Bezug auf die früheren Entscheidungen betont das Höchstgericht, dass es einen Unterschied machen kann, ob ein landwirtschaftliches Grundstück betroffen ist, oder es sich um ein Privatgrundstück handelt. Schließlich ist bei landwirtschaftlichen Grundstücken, wie beispielsweise Ackerflächen, nicht davon auszugehen, dass diese regelmäßig zu Erholungszwecken genutzt werden bzw. dies eine vorteilhaftere Nutzung darstellen könnte.
Servitutsersitzung möglich
Sind die Voraussetzungen einer Grunddienstbarkeit erfüllt, so ist das Vorbringen, einen Weg über ein Grundstück seit mehr als 30 Jahren als bequemen Zugang zum anschließenden Waldgrundstück zu Erholungszwecken zu nützen, nach Ansicht des Gerichtshofs grundsätzlich geeignet, eine Servitutsersitzung zu begründen. Zu beachten ist, dass die Frage des Utilitätserfordernisses einer Dienstbarkeit im Allgemeinen von den jeweiligen besonderen Umständen des Einzelfalls abhängt, wobei die Frage, was letztlich tatsächlich bequem, nützlich oder notwendig ist, eine Tatfrage darstellt (veröffentlicht in OGH 9 Ob 32/21b).
Fazit: Wenn es um die Begründung eines Wegerechts geht, so müssen zunächst die Voraussetzungen einer Grunddienstbarkeit erfüllt sein. Bejahendenfalls ist das Vorbringen, einen Weg über ein Grundstück seit mehr als 30 Jahren als bequemen Zugang zum anschließenden Waldgrundstück zu Erholungszwecken zu nützen, grundsätzlich geeignet, eine Servitutsersitzung zu begründen. Aber Vorsicht – hier bedarf es einer differenzierten Sichtweise, denn dies gilt insbesondere für Privatgrundstücke, nicht jedoch auch für landwirtschaftlichen Flächen.
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